Gerhards Matchbericht// SC Wiener Viktoria – FavAC
Ein Viktorianer on Tour
SC Wiener Viktoria – FavAC
RLO-Saison 2023/24, 11. Runde, 07.10.2023
Gipfelstürmer
Das Warten hatte ein Ende. Endlich war es wieder so weit. Nervosität machte sich breit. Ich konnte kaum mehr schlafen. Es war einfach unerträglich. Das lange Bangen bis zur Entscheidung. Ich hatte mein Bestes gegeben. Besser geht einfach nicht mehr. Ich war vom Sieg überzeugt. Und dann die Ernüchterung. Ich konnte es nicht fassen. Wieder wurde mir der Literatur Nobelpreis vorenthalten. Aber ich versuche es weiter. Werde euch quälen mit zahlreichen endlosen Matchberichten. Der Bericht von unserer Meisterfeier wird „Krieg und Frieden“ und „Doktor Schiwago“ qualitativ und vor allem quantitativ weit übertreffen.
Ich hätte auf meine Frau hören sollen. Sie hatte mich bereits zuvor demoralisiert. „Deine Fälle sind ständig falsch“, rieb sie mir mit ihrer Grammatik Hochnäsigkeit gewaltig um die Nase. Was soll ich mich schären, es klappt bei mir einfach nicht. Es verfolgt mich seit der Volksschule. Da kommt halt ein Dativ aus, anstelle des Genetiv, ein Nominativ ersetzt den Akkusativ. Auf die Schnelle an falscher Stelle. Ich hoffe ihr verzeiht mir die falschen Endungen, im Falle eines Falles zählt der Inhalt und nicht die Fälle.
Trotz der erlittenen Demütigung freute ich sehr auf unser Heimspiel gegen den FavAC. Ein Wiener Derby der Bezirksnachbarn. Die Favoritner waren nach dem letztjährigen Meistertitel in der Wiener Liga nach längerer Zeit wieder in der Regionalliga vertreten. In meiner Jugendzeit waren sie in der Sechzehner Liga noch fixer Bestandteil der obersten Spielklasse gewesen. Viele Anhänger folgten dem Traditionsverein mit nach Meidling, und bei sehr schönen Herbstwetter konnten wir uns auf ein spannendes Meisterschaftsspiel vor einer ansehnlichen Kulisse freuen.
Nach, für uns Viktorianer, sehr schönen Ergebnissen in den Freitag Spielen, war ein Vordringen auf den vierten Tabellenplatz und eine Reduzierung des Rückstands auf den Spitzenreiter auf läppische zwei Punkte möglich. Drei Punkte waren einfach das Ziel für dieses Spiel, alles Andere wäre eine große Enttäuschung und ein herber Rückschlag beim geplanten Gipfelsturm gewesen.
Sieben Wochen war es her. Vor sieben Wochen waren wir nach den beiden Auswärtspleiten zu Beginn der Liga dem Abgrund näher als jeglichen Gipfel. Bereits beim zweiten Heimspiel war die Mannschaft unter gehörigem Druck. Was daraus wurde ist uns allen bekannt, und lässt uns ein sanftes Lächeln ins Gesicht zaubern. Sieben Spiele ohne Niederlage, eine groß aufspielende Mannschaft, herrliche Matches, schöne Tore. Einfach eine Augenweide. Und vor allem wurde uns aufgezeigt, dass es in Gipfelnähe meist sonniger ist, als im tiefen, dunklen Tal. Somit konnte es für das FavAC Spiel nur ein Motto geben: drei Punkte im achten ungeschlagenen Spiel en Suite.
Der SC Wiener Viktoria startete ungewohnt gemächlich ins Spiel und überließ den Aufsteiger viel Platz um sein Spiel aufzuziehen. Nach den ersten zehn Minuten schalteten die Meidlinger einen Gang höher und übernahmen das Spiel. Man zeigte gefälligen Fußball, ließ aber den Elan der letzten Wochen vermissen. Trotzdem kamen die Viktorianer nach etwas mehr als zwanzig Minuten zum durchaus verdienten Führungstreffer. Schneller Angriff durch die Mitte, der Tormann konnte den Ball nur kurz wegschlagen und unser Daniel stand goldrichtig um den abprallenden Ball ins leere Tor zu schieben. Alles war auf Plan. Die Gegenwehr der Favoritner hielt sich in Grenzen und ohne weitere Höhepunkte ging es mit der 1-0 Führung in die Halbzeitpause.
Mit viel Applaus wurden die Viktorianer in die Kabine begleitet. Die Leistung war ansprechbar, das Ergebnis stimmte. Meidling war zufrieden und freute sich auf mehr. Doch leider gibt es diesen blöden Spruch „erstens kommt es Anders als zweitens man denkt“. Und der bewies in den ersten zehn Minuten der zweiten Hälfte seine Richtigkeit. Es folgten die desaströsten 600 Sekunden der laufenden Saison. Hoffentlich werden sie dies auch bleiben. Der FavAC kam wie verwandelt aus der Kabine, spielte groß auf und ließ unsere Jungs wie Statisten aussehen. Weit Weg von Ball und Gegner, gedanklich noch in der Pause, ließ man die Gäste schalten und walten wie sie wollten. Das logische Ergebnis dieser „Abwesenheit“ war der verdiente Ausgleich.
Gott sei Dank hatte diese mehr als deftige Watsch´n eine sofortige Wirkung. Die Viktorianer erkannten von der Auflage weg den Ernst der Lage und ein wunderbares Wiedererwachen der Mannschaft war die Folge. Mister Hyde verschwand und Dr. Jekyll kam zurück. Noch vor Sekunden undenkbar, war man sofort wieder Herr der Lage, übernahm das Kommando, als hätte es die letzten Minuten nie gegeben. Nach nur knapp sechs Minuten gelang verdient die erneute Führung zum 2-1. Guter Pass auf unseren Sekunden zuvor eingewechselten Kevin, der steht am Sechzehner leider verkehrt zum Tor, überlegt einen Fallrückzieher, besinnt sich eines Besseren, nimmt den Ball perfekt an, wunderbare Körperdrehung und ein wuchtiger Schuss, unhaltbar ins linke Eck. Das nennt man einen gelungenen Spielerwechsel. So ein goldenes Händchen hat halt nur unsere Trainerbank! Da sieht man einfach die Klasse und langjährige Erfahrung (für dieses Honig ums Maul schmieren, erwarte ich mir zumindest ein Bierchen). Alles war wieder im Lot, das After-Pause-Tief war wieder Geschichte, war so schnell weg, wie es erschienen war.
Weiter ging der Meidlinger Fußball Walzer, dem der Gegner nun nicht mehr folgen konnte. Nur weitere acht Minuten später legte unser Dominik mit Köpfchen zum 3-1 Endstand nach. Der Rest war nur mehr Formsache, ein Schaulaufen bis zum Schlusspfiff ohne den Gegner nochmals stark zu machen. Ein großer, erwarteter Schritt Richtung Gipfel. Gut positioniert in Lauerstellung, bereit zum Gipfelsieg anzusetzen.
Die zehn Minuten nach Seitenwechsel waren ein kurzer, aber gewaltiger Wackler. Diese werden im Laufe der Saison öfters vorkommen. Hier spielen keine Maschinen, es sind immer noch Menschen die hier am Werk sind. Beeindruckend sind jedoch die Kraft und die Einstellung der Mannschaft, sich in kurzer Zeit aus solchen Situationen hinaus zu manövrieren. Wir haben es zur genüge in den letzten Jahren gesehen, wie solche Spiele verloren gingen. Es war ein Schuss vor den Bug zur rechten Zeit. Und eine Auferstehung die das Potential der ganzen Mannschaft unterstreicht. Burschen wir sind stolz auf euch!
Nun geht es nächsten Freitag zum schwierigen Spiel gegen den Aufsteiger aus der Burgenlandliga in Oberwart. Wichtige drei Punkte auf dem Weg zum Gipfel warten erkämpft zu werden. Und die Power-Jungs aus Meidling werden dies schaffen. Und ich freue mich darauf, dabei zu sein. Ich hoffe ihr auch.
Am kommenden Donnerstag findet in der Wiener Stadthalle die Wahl zum Sportler des Jahres 2023 statt. Ich würde mich persönlich sehr darüber freuen, wenn dieser Titel an unseren Tour-de-France Hero Felix Gall geht. Ein Mann, der mich im Sommer stundenlang an den Fernseher fesselte, und mit seiner phantastischen Leistung dem österreichischen Sport eine internationale Medienpräsenz bescherte, die seines gleichen sucht. Ein Kämpfer der an seine Grenzen gehen kann und auch ging. Ein Osttiroler Gipfelstürmer der allen Sportlern als Vorbild gelten sollte. Vielleicht auch unseren Meidlinger Gipfelstürmern!
Bis bald, Gerhard
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